Kunstgeschichte, Museologie Universität Heidelberg, Prof. Dr. Henry Keazor
Von April 2023 bis September 2023
„Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung venezianischer Frauen, 1580 bis 1620“
Dissertationsprojekt
Geschichte der Frühen Neuzeit/Universität des Saarlandes, Prof. Wolfgang Behringer
Im Jahr 1600 erschienen mit Lucrezia Marinellas Nobiltà et l’Eccellenza delle Donne […] und Moderata Fontes Merito delle Donne zwei Druckwerke auf dem venezianischen Buchmarkt, die in der Forschung der letzten Jahrzehnte ausgiebig untersucht und analysiert wurden. Der Grund für diese vermehrte Aufmerksamkeit ist, neben dem philosophischen und literarischen Wert der Schriften, auch die geschlechtliche Identität der Autorinnen. Als Frauen, so scheint es, beschrieben Marinella und Fonte nicht nur die gesellschaftliche Rolle der Frauen, sondern boten auch Einblicke in ihre Selbstwahrnehmung als Angehörige dieser Gruppe. Während die Vorgänger Marinellas und Fontes – unter ihnen Leonardo Bruni, Juan Luis Vives, Baldassare Castiglione, Lodovico Dolce und Agrippa von Nettesheim – über Frauen nur als „das Andere“ schreiben konnten, reflektierten die beiden Autorinnen ihre eigene ideelle, aber auch reale Position in der venezianischen Gesellschaft des 16. Jahrhunderts, die Erwartungen, die an sie gestellt wurden und die Möglichkeiten, die sich ihnen aufgrund ihres Geschlechts eröffneten und – in weit größerem Maße – verschlossen. Vor allem das Werk Fontes wird mitunter als direktes Zeugnis eines weiblichen Selbstbewusstseins gelesen, das aus einer durch die Dualität zwischen zwei Geschlechtern bestimmten Verfasstheit heraus geschrieben wurde. Diese These wird im Zuge des Dissertationsprojekts in Frage gestellt: Durch einen Vergleich unterschiedlicher archivalischer Quellen wie Testamenten, Straf- und Zivilgerichtsprozessen, Briefen oder Petitionen wird das Selbstverständnis der unterschiedlichen Akteurinnen innerhalb der venezianischen Gesellschaft untersucht und so unser bisheriges Wissen um die Bedeutung des „Frau-seins“ in der Frühen Neuzeit erweitert. Die gewonnenen Erkenntnisse werden dann im Kontext der Querelle des Femmes gedeutet, um so einen Eindruck davon zu vermitteln, ob und wie dieser Streit das Selbstbild und den Standpunkt der Frauen aufgriff und darstellte und welche Relevanz die im Streit der Geschlechter diskutierten Argumente also tatsächlich hatten.
Von November 2022 bis April 2023
Der Liber insularum Archipelagi von Cristoforo Buondelmonti
Dissertationsprojekt
Geschichte/Universität Kassel, Prof. Dr. Ingrid Baumgärtner
Meine Dissertation über den Liber insularum Archipelagi (1418–1422) von Cristoforo Buondelmonti (1386–ca.1430) untersucht die Text-Bild-Relationen des humanistischen Inselbuchs und die Entstehung seiner zahlreichen Kopien. Meine Forschung fokussiert die Verzahnung von Karten und Narration und dessen Rezeption, einerseits durch die Kopisten und andererseits durch den Leser. Die Rezeptionsprozesse – Nutzerrezeption und Reproduktionsrezeption – bestimmen ferner den Seitenaufbau, sodass das Folio selbst als visuelles Erlebnis inszeniert ist.
Mein Fokus liegt auf diesen individuellen Entscheidungen bei der Gestaltung von Text und Bild und welchen Einfluss diese Traktate auf die Genese humanistischer Konzepte und die Rezeption des kartographischen Materials im Hinblick auf den Kopiervorgang und die Rezeption durch den Leser hatten. Meine Analyse umfasst ein breites Spektrum an lateinischen Handschriften von Buondelmontis Werk aus der Zeit vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Mein Ziel ist es einen Beitrag zur laufenden Diskussion innerhalb der historischen und kunsthistorischen Forschung über das Zusammenspiel von Bild/Karte und Text/Beschreibung zu leisten.
Der Liber insularum steht schon seit einiger Zeit im wissenschaftlichen Fokus, aber wurde bisher nur am Rande hinsichtlich des Verhältnisses von Karte und Text untersucht. Durch meine Analyse verschiedener Fassungen möchte ich zeigen, dass Wort und Bild in einem Abhängigkeitsverhältnis standen. Die Untersuchung des Liber insularum und damit des westlichen Austauschs mit dem expandierenden osmanischen Reich zeigt, wie Florenz, Rom, Venedig und Genua regionale Grenzen überschritten und in ihrem gemeinsamen Streben das Gebiet des Mittelmeers zumindest auf dem Papier einnahmen. Die Dissertation zeichnet diesen interkulturellen Austausch zwischen Italien und der Ägäis nach und erstellt eine Karte der verschiedenen Netzwerke von Humanisten im Italien des 15. Jahrhunderts.
Von März 2023 bis August 2023
Kunststipendium
Architektur
Von April 2023 bis Juni 2023
Kunststipendium
Literatur
Von April 2023 bis Juni 2023
Italiens Kunsthandel während des Zweiten Weltkrieges – Käufer, Händler und Vermittler
(Dissertationsvorhaben)
Kunstgeschichte - Prof. Dr. Oy-Marra Universität Mainz
Obwohl der Diskurs des nationalsozialistischen Kunsthandels und Kunstraubs in den vergangenen Jahren stark an Transparenz gewonnen hat und mittlerweile ausführliche – aber längst nicht abschließende – Abhandlungen zu den Umständen in Frankreich, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz die Forschungsliteratur bereichern, so hat sich jedoch auf Italien in dieser Hinsicht – wohl auch aufgrund der Sonderstellung als Bündnispartner bis 1943 – kaum wissenschaftliche Aufmerksamkeit konzentriert. Italien muss aber unbedingt in den Fokus der Provenienzforschung rücken, zwar weniger im Hinblick auf systematische Kunstraubaktionen, wie sie in den oben genannten Ländern stattgefunden haben, umso mehr aber in Bezug auf das nationalsozialistische Kunsthandelsgefüge. Dies bezeugen beispielhaft die 2007 von Malte König vorgenommenen Hochrechnungen der Kunstankäufe zu Beginn der 1940er Jahre: Wurden für das Führermuseum in Linz allein im Sommer 1941 in Italien Ankäufe in Höhe von 13.200.000 Lire getätigt, bereicherte gleichsam auch Hermann Göring seine Privatsammlung in großem Umfang mit italienischer Kunst, denn er ließ Ende 1941 in der deutschen Botschaft in Rom seine Erwerbungen in rund dreiunddreißig Kisten verpacken und mit einem Sonderzug gen Norden abtransportieren.
Zwar hatte Rodolfo Siviero (1911-1983) bereits zu Kriegsende die internationale Öffentlichkeit augenscheinlich für diese Problemstellung sensibilisiert, indem er nicht nur auf die florierenden Handelsbeziehungen der italienischen Kunsthändler zu den Nationalsozialisten hinwies – „I più solenni antifascisti dell’antiquariato [...] di colpo diventarono filo-tedeschi“–, sondern auch auf den daraus resultierenden regen und häufig illegalen Kulturgütertransfer aufmerksam machte, jedoch ist heute mehr als ein Jahrhundert später nach wie vor ungeklärt, welche „svariati antiquari di Roma, Firenze, Genova, Venezia“ welche Kunstobjekte des italienischen „patrimonio culturale“ an die Nationalsozialisten verkauft haben und mittels welcher Mechanismen diese aus dem Land transportiert werden konnten. Dieser Leitfrage gilt es grundlegend nachzugehen, wobei die Erforschung eminenter Schlüsselfiguren hierfür die zentrale Ausgangslage bildet.
Von April 2023 bis Juni 2023
Das Buch Esther im frühneuzeitlichen Venedig. Verflechtungen eines jüdischen und christlichen Bildthemas zwischen Innovation und Traditionsbildung
Post-doc/Fritz Thyssen Stiftung
Kunstgeschichte
Als über die Religionen hinweg rezipierter, in der christlichen sowie in der jüdischen Kunst dargestellter Bildgegenstand unterlag das biblische Buch Esther in der Frühen Neuzeit einer Reihe medialer und interpretativer Innovationen, die sich ab dem 17. Jahrhundert zu konstanten Bildtraditionen stabilisierten. Diese entwickelten sich im multireligiösen Zusammenhang der Republik Venedigs unter dem Einfluss zahlreicher Berührungspunkte der jüdischen und der christlichen Rezeption des Esther-Stoffes, welche durch Überschneidungen exegetischer Traditionen, zirkulierende Bilder und die wechselseitige Wahrnehmung von Literatur, Theater und religiösem Brauchtum zustande kamen.
Ungeachtet der interreligiös verflochtenen Rezeption des Buches Esther war die theologische Einschätzung des biblischen Textes in beiden Religionen höchst unterschiedlich. In der jüdischen Tradition galt das Buch Esther als liturgischer Text, der während des Purimfests rituell verlesen wurde und als Diaspora-Erzählung gegenwartsbezogene Bedeutung erlangte: Die aus dem iberischen Raum vertriebenen, zwangskonvertierten Juden, welche ab 1589 als Teil der Natione Ponentina ein Aufenthaltsrecht in Venedig erhielten, fanden in der Figur der Esther ein messianisch auslegbares Lebensmodell. In der christlichen Kunst Venedigs stellten die Hinwendung zu Esther und die mit ihr verbundenen typologisch-mariologischen Auslegungen vor dem Hintergrund der im Jahre 1542 in Venedig eingeführten Inquisition eine Abgrenzungsmöglichkeit innerhalb der Konfessionsbildung dar, welche durch den Beschluss des Konzils von Trient im April 1546, das bislang als apokryph geltende Buch samt den griechischen Zusätzen der Septuaginta in den biblischen Kanon aufzunehmen, bestärkt wurde.
Trotz Kanonisierung und gewachsener kultureller Bedeutung existierten in beiden Religionen nachhaltige theologische Vorbehalte gegenüber der biblischen Erzählung, die auf einen gemeinsamen Grund, die Nicht-Erwähnung des Namens Gottes, zurückgingen. Der theologisch ambivalente Charakter des Buches Esther hatte schließlich verschiedene Auswirkungen auf die sich ab dem 16. Jahrhundert entwickelnden frühneuzeitlichen Bildtraditionen: Gemeinsam mit dem allgemein erwachten Interesse an Bildthemen des Alten Testamentes eröffnete er in der christlichen Kunst Möglichkeiten, den Stoff vom biblischen Kontext zu lösen, seine Bezüge auf profane Deutungsinhalte auszuweiten und den traditionellen mariologischen und allegorischen Lesarten neu in den Vordergrund drängende Bildsujets, wie die ab dem 17. Jahrhundert immer stärker erotisierte „Ohnmacht Esthers“, an die Seite zu stellen. In der jüdischen Kunst erlaubte das Fehlen des Gottesnamens eine großzügige Haltung gegenüber Bildern, so dass ab dem späten 16. Jahrhundert dekorierte und illustrierte Esther-Rollen, welche für den privaten Gebrauch geschaffen wurden, von den rabbinischen Autoritäten gebilligt wurden. Als ein weiteres Abrücken von religionsgesetzlichen Regulierungen kann auch die mediale Neuerung der druckgraphisch dekorierten Esther-Rolle verstanden werden, welche Kollaborationen zwischen jüdischen und christlichen Künstlern mit sich brachte. Das Projekt möchte Verflechtungen der Bildtraditionen beider Religionen darlegen, darüberhinaus die in der jüdischen und christlichen Kunst geteilten Aneignungswege des Esther-Stoffes sowie die sich aus dem jeweiligen religiös-kulturellen Kontext ergebenden Auswirkungen auf künstlerische Entwicklungen.
Von Januar 2023 bis Dezember 2023
Musikwissenschaft/Universität Paderborn, Prof. Dr. Antje Tumat
Von April 2023 bis Mai 2023
Tacitus als Verhaltenskompass bei Hofe: Nicolò Minatos Elio-Seiano-Libretti (1667)
Postdoc
Musikwissenschaft
Nicolò Minato ist in der Opernforschung als außerordentlich produktiver Autor von Libretti für Opern und Oratorien bekannt. Seine Schaffenszeit umfasst den Zeitraum zwischen 1650 und 1668, in dem er in Venedig tätig war und mit Komponisten wie Francesco Cavalli, Antonio Sartorio und Giovanni Legrenzi zusammenarbeitete, sowie den Zeitraum zwischen 1669 und 1698, in dem er das Amt des Hofpoeten am kaiserlichen Hof in Wien bekleidete. Bevor er sich jedoch dem Musiktheater zuwandte, veröffentlichte er 1645 in Venedig ein Traktat unter dem Titel Eruditioni per li cortigani („Weisheiten für Höflinge“), eine gelehrte Abhandlung über höfisches Verhalten, die in vierzig Kapiteln einige der beliebtesten Probleme der zeitgenössischen Diskussion zum Thema behandelt. Dabei stützt er sich auf Episoden aus dem Werk von Schriftstellern wie Seneca, Sueton, Plutarch, Appian und vor allem den Annalen des Tacitus. Die Abhandlung ist nicht nur wegen ihrer einzigartigen Tradition wichtig, die sie in eine europäische Perspektive stellt (Minato basiert seine Erörterung unter anderem auf Werken von Eustache de Refuge und Girolamo Canini D’Anghiari, rezipiert über seine Lektüre von Eusebius Meisner), sondern auch, weil sie einer in der Literatur des 17. Jahrhunderts häufig besprochenen Figur großen Platz einräumt, Lucius Aelius Seianus. Wie Tacitus in den Büchern IV und V der Annalen beschreibt, wurde Aelius Seianus von Kaiser Tiberius in die höchsten Ämter des Reiches erhoben. Die Eruditioni widmen Seianus, der durch übertriebenen Ehrgeiz beim Kaiser, der ihn begünstigt hatte, in Ungnade fiel, zahlreiche Passagen und ein ganzes Kapitel. Zweifellos bediente sich Minato bei den Eruditioni, als er 1667 für das Teatro di San Salvatore in Venedig ein Zwillingsdrama über das Sujet schuf, also einen für zwei Abende bestimmten dramatischen Zweiteiler, mit den Titeln La prosperità di Elio Seiano („Der Aufstieg des Aelius Seianus“) und La caduta di Elio Seiano („Der Fall des Aelius Seianus“). Der Komponist, mit dem Minato hierbei zusammenarbeitete, der Hannoversche Kapellmeister Antonio Sartorio, nutzte die Oper in der deutlichen Absicht, das Haus Hannover zu verherrlichen, was schon an der Widmung an Herzog Johann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg und seine Schwester Sophie Amalia von Dänemark zu erkennen ist.
Erklärte Grundlage des Librettos ist Tacitus, also die höchste Autorität auf dem Gebiet der politischen Philosophie des 17. Jahrhunderts, dessen Schriften von einer großen Zahl von Intellektuellen und Gelehrten übersetzt und kommentiert wurde. Sie bildeten gleichsam das tägliche Brot der venezianischen Akademien, der „Incogniti“, „Discordanti“ und „Imperfetti“, deren letzterer Minato selbst angehörte. In der Geschichte des kaiserlichen Roms, wie sie die Annalen überliefern, können wir eine deutliche Allegorie der Korruption an Fürstenhöfen lesen (man denke nur an die Krönung der Poppea des „Incognito“-Mitglieds Busenello); und wenn es stimmt, dass der kaiserliche Palast das Beispiel par excellence innerer Rivalitäten bildete, erhält das Studium der Taten der Großen – selbst der unsäglichsten unter ihnen – eine bestimmte, machiavellistisch-didaktische Absicht: Das Alte wird nicht nur als negatives und kontrastierendes Beispiel angesehen, sondern in erster Linie als analoger Vergleich zur Beschreibung der zeitgenössischen Realität. Tacitus’ Lehre wird so gleichsam zu einem Verhaltenskompass, einem Führer zum Leben und Überleben bei Hofe.
Die Popularität der Prosperità di Elio Seiano, eines der am meisten aufgeführten Werke Sartorios, wird durch die zahlreichen Wiederaufnahmen dokumentiert. Minatos Zweiteiler liefert ein komplexes und sehr interessantes Zeugnis für die Untersuchung der Rezeption tazitistischer Materie im Kontext des Operntheaters, dessen Motive mit freizügigen Inspirationen verflochten sind, vor allem mit der in der libertinen Tradition stehenden literarischen Produktion der „Incogniti“-Mitglieder). Das eingehende Studium der beiden Stücke um Aelius Seianus und die von mir vorgeschlagene kritische Edition der jeweiligen dramatischen Texte würde aus interdisziplinärer Perspektive (das Thema betrifft gleichermaßen Geschichte, Literaturwissenschaft, Musik- und Theaterwissenschaft sowie Kunstwissenschaft) bemerkenswerte Aspekte ans Licht bringen zur Bedeutung der Botschaft des römischen Historikers in den goldenen Jahren der Popularisierung der Oper in Venedig und darüber hinaus: also Erkenntnisse zur Verbreitung der italienischen Oper an europäischen Höfen.
Das Ziel des Projekts ist die Vorbereitung der kritischen Ausgabe der beiden Libretti zu Elio Seiano, begleitet von einer umfänglichen Einführung, die darauf abzielt, das Werk zu kontextualisieren und gleichzeitig das Studium zeitgenössischer Abhandlungen und freigeistiger Literatur (alias „Incogniti“-Literatur) zu würdigen. In der Einführung werden der generative Kontext der „Zwillingswerke“, die historisch-literarischen Vorläufer, die Struktur der Stücke und die verwendeten dramaturgischen Konventionen erläutert.
Von März 2023 bis Mai 2023