Deutsches Studienzentrum in Venedig

Personen/Projekte aktuell

Juli 2025

  • Schiffsverträge zwischen deutschen Pilgern und venezianischen Patronen: eine Spurensuche
    Promotionsprojekt

    Mittelaterliche Geschichte - Universität Heidelberg, Prof. Dr. Romedio Schmitz-Esser
    „Die Patrone sind alle Schelme“ – So urteilte der Jerusalempilger Hans Bernhard von Eptingen (1460) über die venezianischen Schiffsherren, die jedes Jahr auf ihren Galeeren Pilgergruppen ins Heilige Land brachten. Das Aushandeln von Verträgen mit den Patronen war eine leidige, aber unvermeidliche Aufgabe und fester Bestandteil der Pilgerfahrten. Immer wieder kam es dabei zu Auseinandersetzungen. Die in den Pilgerberichten überlieferten Schiffsverträge sind einzigartige Quellen, die von den mittelalterlichen Ursprüngen des Seepassagiervertrags zeugen. Die Überlieferung beschränkt sich nicht auf die Vertragstexte, sondern bietet eine narrative Darstellung des gesamten Geschehens, von der ersten Kontaktaufnahme mit den Patronen über die Verhandlungsphase bis hin zum Vertragsabschluss, und enthält darüber hinaus Hinweise zur Einhaltung der Vereinbarungen sowie zu möglichen Sanktionen bei deren Missachtung. Die patroni vereinten in einer Person die Rollen von Reedern und Kapitänen und stammten aus einflussreichen venezianischen Patrizierfamilien, von denen viele bereits im Überseehandel aktiv waren. Sie durften auf eigene Rechnung, jedoch unter staatlicher Aufsicht, Schiffe ausrüsten und die Überfahrten durchführen. Mit Hilfe der Verträge sollte Verbindlichkeit zwischen den beteiligten Personen unterschiedlicher Herkunft, Kulturen und Rechtsräume hergestellt werden. Im Idealfall sollten die Anbieter den Pilgern eine sichere Überfahrt, eine ausreichende Versorgung an Bord, die Kommunikation mit den muslimischen Amtsträgern und eine rasche Heimkehr ermöglichen. Die ersten bekannten Schiffsverträge sind in Pilgerberichten aus dem Jahr 1440 überliefert. Die Schriftstücke wurden im Laufe der Jahrzehnte durch das überlieferte Wissen immer länger. Dies deutet darauf hin, dass die Pilger mit ihren vertraglichen Absicherungen nur begrenzten Erfolg hatten und versuchten durch noch mehr Regelungen die Patrone in die Knie zu zwingen. Eine methodische Schwierigkeit bei der Erforschung der Verträge liegt darin, dass bislang kein einziges Original bekannt ist. Wir können somit nahezu keinen Eindruck von Materialität, Form und tatsächlichem Inhalt der Verträge gewinnen. Die Auffindung der Schiffsverträge ist nur durch eine umfassende Durchsicht der venezianischen Notariatsakten im Archivio di Stato di Venezia möglich.
    Von Juli 2025 bis August 2025
  • Das deutsche Milieu Venedigs im transnationalen faschistischen Geflecht,
    1918–1933. Eine Fallstudie zur Unterwanderung von Auslandsinstitutionen und -gemeinden während der Weimarer Republik
    Promotionsprojekt

    Geschichtswissenschaft Universität Bielefeld, Prof. Dr. Vito Francesco Gironda
    Venedig bildete seit Beginn der 1920er Jahre ein entscheidendes und bislang unerforschtes Drehkreuz transnationaler Vernetzungsprozesse zwischen dem faschistischen Regime und gleichgesinnten deutschsprachigen Organisationen. Mein Projekt beabsichtigt die Erforschung des deutschen Milieus in Venedig zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur. Dabei zielt es darauf ab, die Unterwanderung und Instrumentalisierung dieses Milieus als relationale Infrastruktur in den Diensten der grenzübergreifenden Vernetzung faschistischer und rechtsradikaler Gruppierungen (NSDAP, „Stahlhelm“, PNF) zwischen Deutschland und Italien aufzudecken. Im empirischen Mittelpunkt der Untersuchung stehen somit das breitere Umfeld der deutsch-venezianischen „Kolonie“, und darin insbesondere die Tätigkeit der deutschen Auslandsvertretungen sowie der deutschen Glaubensgemeinden in Venedig seit ihrer (Neu-)Gründung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs.

    Neben den noch unklaren empirischen Grundlageninformationen geht es hierbei insbesondere um die Aufklärung der Rolle des breiteren deutsch-venezianischen Milieus zwischen 1918 und 1933. Der Kenntnisstand über die Kolonie in ihrer Allgemeinheit in sozialer und politischer Hinsicht gestaltet sich nach wie vor lückenhaft. Das Projekt möchte diese Forschungslücke anhand eines zweifachen Erkenntnisinteresses schließen.

    Zum einen soll nach der allgemeinen Zusammensetzung und den internen Dynamiken des Milieus gefragt werden: Welche Akteure, soziale Gruppen bzw. Schichten und Institutionen waren hierbei ausschlaggebend, genossen das meiste Prestige und verfügten über die größten Handlungsspielräume? Wie zentral gestaltete sich etwa die Rolle des Konsulats und der evangelischen und katholischen Gemeinden bei der Gruppenbildung und -kohäsion? Wie positionierten sich die Kolonie und ihre Vertreter*innen innerhalb der breiteren venezianischen Stadtgesellschaft? Welche Weltbilder kamen hier in politischer Hinsicht zum Vorschein? Inwiefern waren hierbei deutschnationale oder völkische Dispositionen ausschlaggebend oder gar mehrheitlich, und welche Haltungen herrschten jeweils gegenüber dem italienischen faschistischen Regime und der Weimarer Demokratie? Welche Spannungen durchliefen das Milieu in soziokultureller und konfessioneller Hinsicht?

    Zum anderen sollen die Funktion und Bedeutung des deutschen Milieus in Venedig in grenzübergreifender Perspektive analysiert werden: Welche breiteren Kreise trieben die deutsch-italienische faschistische Vernetzung aktiv voran? Wie gestaltete sich das Verhältnis zwischen den rechtsradikalen Organisationen und dem breiteren deutsch-venezianischen Umfeld? Welche Funktion nahmen das Honorarkonsulat und die christlichen Gemeinden mit ihren aktiven Mitgliedern und Mitarbeitenden mittelfristig ein? Wie bewusst war den jeweiligen Funktionstragenden die Instrumentalisierung durch rechtsradikale Akteure? Lassen sich Ablehnungshaltungen oder gar Widerstände im Milieu gegen die Unterwanderung erkennen? Führte die Zentralität des deutschen Milieus in Venedig zu einer erkennbaren „venezianischen Prägung“ des deutsch-italienischen Netzwerks? Wie nachhaltig blieben die Einflüsse aus der Lagunenstadt nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“, und wie gestalteten sich die späteren Biographien der Hauptakteure durch und über die NS-Zeit hinweg?
    Von März 2025 bis August 2025
  • Kunststipendium
    Musik/Komposition
    Von Juli 2025 bis September 2025
  • Von Venedig nach Berlin: die von dem venezianischen Kunsthändler Alvise Bernardino Barozzi ans Kaiser-Friedrich-Museum verkauften Kunstwerke aus byzantinischer Zeit, aus Mittelalter und Renaissance
    Postdoc

    Kunstgeschichte
    Die Staatlichen Museen zu Berlin besitzen viele Kunstwerke aus byzantinischer Zeit, aus Mittelalter und Renaissance: Gemälde, Skulpturen, liturgische Kunstgegestände, sowie Objekte der angewandten Kunst, die alle in der zweiten Hälfte des Neunzehnten Jahrhunderts, ins besondere aber in den ersten Jahren des vorigen Jahrhunderts durch Gustav Friedrich Waagen (1794-1868), Ignaz von Olfers (1793-1872) und später auch durch Wilhelm von Bode (1845-1929) erworben wurden. Mehrere hundert Gegenstände aus dem italienischen Markt kamen dank der Kulturpolitik der Zeit und der gro?zügigen Finanzierung der Hohenzollern nach Berlin.

    Viele dieser Kunstwerke stammten aus Kunststädten wie Venedig, Ravenna, Florenz und Rom sowie aus Kampanien, Apulien und Sizilien. Durch die enge Mitarbeit der Museen mit bekannten italienischen connoisseurs und geschickten Kunsthändlern, die genau wussten, was die Berliner Museen benötigten und vor allem wo die notwendigen Gegenstände zu kaufen waren, um die Lücken der Berliner Sammlungen zu füllen, kamen die Kunstwerke nach Berlin. Dies betraf besonders Werke der altchristlichen und mittelalterlichen Zeit. Ziel der Berliner Kulturpolitik - und dies entsprach dem de persönlichen Wunsch Kaisers -, den Berliner Museen dasselbe Ansehen zu verleihen, wie es die Pariser bzw. die englischen Museen genossen.

    Heutigen Forschern, leidenschaftlichen Sammlern und Kunsthändlern sind Namen wie Stefano Bardini oder auch Ludwig Pollak wohlbekannt. Stefano Bardini, “il principe degli antiquari”, war in Florenz tätig. Ludwig Pollak, der berühmte Archäologe und Kunsthändler aus Prag, lebte und arbeitete in Rom. Auch venezianische Kunsthändler wurden eifrig erforscht, wie zum Beispiel Francesco Pajaro und Moise della Torre, die in der zweiten Hälfte des Neunzehnten Jahrhunderts in ständigem Kontakt mit den Berliner Museen standen. Aus Venedig stammt aber zudem ein Kunsthändler, der besonders interessant war: conte Alvise Bernardino “Dino” Barozzi.

    Während meiner Arbeit in Berlin zwischen 2021 und 2022 fand ich Barozzis Namen oft in alten Inventaren des Kaiser-Friedrich-Museums, das heutige Bode-Museum. Zudem konnte ich viele Transportdokumente einsehen, die Beziehungen zu Wilhelm Bode bezeugen. Sie behandeln den Verkauf von Skulpturen, “vere da pozzo”, “patere” sowie von alten Gemälden, die heute teilweise ausgestellt sind oder in den Depots aufbewahrt werden.

    Barozzi war vornehmlich zwischen 1900 und 1914 tätig und er kannte sehr genau die Wünsche Wilhelm Bodes für seine Museen: Kunstwerke venezianischer Provenienz aus Sakralbauten, wie Abteien und Klöstern, sowie aus Privatpalästen. Au?er diesen Kunstwerken besitzen die Museen auch den Briefwechsel zwischen Wilhelm Bode und Alvise Barozzi. Es handelt sich um mehr als 200 Briefe, die oft mit Fotos und Skizzen der zum Verkauf stehenden Werke versehen sind.

    Ziel meines Forschungsprojekts ist es, diese vielfältigen und bisher unbekannten Dokumente zu untersuchen, die sowohl in Berlin wie auch in einigen wichtigen venezianischen Archiven verwahrt werden. Auf diese Weise lie?e sich das Leben Alvise Bernardino Barozzis, einem Mitglied einer der zwölf „apostolischen“ Familien Venedigs, besonders im Hinblick auf seine Tätigkeit als Kunsthändler rekonstruieren.

    Diese Untersuchungen könnten dazu beitragen, den im 20. Jahrhundert in Venedig und unter den dort ansässigen Künstlern vorherrschenden “gusto” ebenso wie die Entwicklung des Kunstmarkts zwischen Italien und Deutschland besser zu verstehen; und dies in einer Zeit, in der die verschiedenen italienischen Regierungen versuchten, die Ausfuhr von Kunstwerken mittels nach und nach strengeren Gesetzen zu reglementieren. Damit sollte der Versuch unternommen werden, die nationalen Schätze zu bewahren – ein Ziel, das nur teilweise erreicht werden konnte.
    Juli 2025
  • Fluvio-Graphie. Von der Quelle bis zum Delta: Flüssen eine Stimme geben -ihre Zukunft neu gestalten
    Progetto di abilitazione | Fritz Thyssen Stiftung

    Romanische Literaturwissenschaft (Französisch/Italienisch)
    Texte des letzten Jahrhunderts verdeutlichen eindrucksvoll wie der Po und die Durance, zwei alpin-mediterrane Flüsse, nicht nur unsere Repräsentationen und Erzählungen inspirieren, sondern auch unsere Wasserkulturen und das kollektive Gedächtnis tiefgreifend geprägt haben. Diese Flüsse verkörpern ein bedeutendes geografisches, ökologisches und emotionales Erbe und machen die Herausforderungen, denen Flusssysteme im Anthropozän gegenüberstehen, deutlich sichtbar.

    Der Po und die Durance haben die Geschichte Südfrankreichs und Norditaliens nachhaltig beeinflusst, Land bewässert, Bevölkerungen ernährt und Städten Wohlstand ermöglicht – wie Sisteron, Marseille, Turin oder Venedig. Oft mit Lebensbäumen verglichen – der eine in der Provence, der andere in Norditalien – sind diese Flüsse, die ihren Ursprung in den Französischen Alpen haben (die Durance und die Dora, ein Nebenfluss des Po, entstehen sogar aus der gleichen Quelle), ein Spiegelbild der Flussausbaupolitiken in Frankreich und Italien. Literarische und sachliche Texte bezeugen die ursprünglichen, geflochtenen Flussmuster, die einzigartigen Ökosysteme, Feuchtgebiete und Deltas und erinnern an dieses nahezu verlorene Erbe.

    Der Po und die Durance sind heute tatsächlich zunehmend extremen Bedingungen wie wiederkehrenden Dürren oder Hochwasserereignissen ausgesetzt, die durch den Klimawandel, das Schmelzen der Gletscher oder durch verschiedene Flussbewirtschaftungspraktiken (Hochwasserschutz, Staudammbau, Kanalisierung, Landentwicklung und Atomkraftwerke u.a.) verursacht werden. Die Texte und Studien dokumentieren diese tiefgreifenden Veränderungen der Flüsse unter menschlichem Druck und skizzieren manchmal dystopische Perspektiven für deren und somit unsere Zukunft. Darüber hinaus bieten sie gelegentlich auch innovative Ansätze zur „Reparatur des Wassers“ (Rey, 2021).

    Diese ökokritische Analyse der Fluvio-Graphie des Po, der Durance und ihrer Nebenflüsse untersucht den Wandel unserer Wasserkulturen und legt dar, dass literarische Darstellungen dieser Wasserwege nicht nur das Bewusstsein für bedrohte Flüsse schärfen, sondern auch Lösungsansätze bieten können. Diese Werke verdeutlichen, dass die Fluidität der Flüsse weit über ökologische Aspekte hinausgeht und tief mit dem Fluss des Lebens, der Sprache, den Emotionen und der Vorstellungskraft verknüpft ist. „When the rivers run dry“ (Pearce, 2019) belegt nicht nur den Prozess des Verschwindens der Flüsse, sondern auch das Fehlen der entsprechenden Worte. Die Darstellung von Freiheit wird erschwert und das Gefühl des Erhabenen wird zunehmend von Melancholie und Trauer verdrängt.

    Schlüsselwörter:
    Fluvio-Graphie; Wasserkulturen; (verflochtene) Flüsse; Flusswirtschaft; Wassergeschichte; Wasserphilosophie.
    Von Februar 2025 bis Januar 2026
  • Kunststipendium
    Bildende Kunst
    Von Juli 2025 bis September 2025
  • Quellenstudien und Niederschrift von Erkenntnissen
    Mittealterliche Geschichte - Universität Kassel, Prof. Ingrid Baumgärtner
    Während die europäisch-nordafrikanischen Beziehungen auch vor dem Hintergrund des Austauschs zwischen Europa und der arabischen Welt mittlerweile gut erforscht sind, vernachlässigen die Diskursteilnehmer oftmals, dass der Norden Afrikas nur einen kleinen Teil des Kontinents ausmacht. Diese chronische Vernachlässigung Afrikas südlich der Sahara zieht sich durch viele Bereiche und könnte Ausdruck eines erweiterten Eurozentrismus sein, wonach nur das von Belang ist, was in der Proximität Europas stattfindet. Hierbei wird vollkommen außer Acht gelassen, dass auch die subsaharischen Regionen Afrikas über Jahrhunderte hinweg durch Handel indirekt über den arabischen Raum und später auch direkt mit Europa verbunden waren. So gibt es zahlreiche Berichte über afrikanische Gesandte an europäischen Höfen wie etwa

    auch die Teilnahme einer äthiopischen Delegation am Konzil von Ferrara/Florenz. Solche direkten Kontakte haben weitere Spuren hinterlassen und die Neugierde auf das wenig Bekannte stimuliert. Selbstverständlich waren es gerade die Geographen und Kartographen, die sich mit der Frage auseinandersetzen mussten, wie Afrika kartographisch zu repräsentieren, zu strukturieren und zu ordnen war. Während die Neuentdeckungen der Portugiesen entlang der Küste in der Forschung der letzten Jahre vielfach thematisiert wurden, richtete sich der Blick selten auf das Innere Afrikas und die damit verbundenen Abgrenzungs- und Ordnungsvorstellungen.

    Im Zuge meiner Dissertation richten sich die Bestrebungen primär auf die um 1459 fertiggestellte Weltkarte des venezianischen Kamaldulensers Fra Mauro. Ziel ist es, die Details der Afrikakonzeption im Rahmen der Vorstellungsgeschichte herauszuarbeiten und dabei den Fragen nach der Erfassung und Strukturierung des Raumes und seiner Ordnung besonderes Gewicht zu geben. Die Analyse soll im Vergleich mit narrativen und weiteren bildlichen Quellen erfolgen und auch islamische Kartierungen von Afrika im 15. Jahrhundert berücksichtigen. Dabei beschränkt sich die Dissertation auf das äußerst dynamische Afrikabild des 15. Jahrhunderts, in dem sich die Erforschung Afrikas und der Austausch mit seinen Einwohnern weit nach Süden ersteckte.
    Von Mai 2025 bis September 2025
  • Scomparso? Spuren karmelitischer Predigttätigkeit in Venedig
    Postdoc

    Geschichte (Mittelalter)
    Predigten sind die mit Abstand größte Quellengruppe des Mittelalters – ebenso umfangreich wie in ihrer Aussagekraft unterschätzt. Forschungen zur Predigtkultur der Bettelorden haben sich bisher vornehmlich auf die Großorden der Franziskaner und Dominikaner konzentriert. Außen vor blieben die Karmeliter. Bis vor wenigen Jahrzehnten war überhaupt nur eine einzige Karmeliterpredigt aus dem Mittelalter bekannt. Dass dies die Überlieferungswirklichkeit nicht korrekt widerspiegeln kann, dürfte angesichts eines Ordens, dessen Daseinszweck im Predigen bestand, offensichtlich sein. Inzwischen haben sich weitere Predigten gefunden und was sie auszeichnet, ist ihr starker Bezug zur zeitgenössischen Lebenswirklichkeit. Im europäischen Predigtkonzert waren die Karmeliter die Zu-Spät-Gekommenen. Aus dem Heiligen Land vertrieben, mussten sie sich mit Hilfe des Papsttums in Europa zunächst eine neue Existenz schaffen. Aus Eremiten wurden Bettelmönche. Im Medium der Predigt reflektierten Karmeliter ihre eigene Migrationsgeschichte, die sie seit den 1230er Jahren vom Heiligen Land nach Europa geführt hatte und beleuchteten die Schwierigkeiten, die mit dem Prozess der Integration in bestehende institutionelle Strukturen verbunden waren. Angesprochen wurde so immer wieder auch die Suche nach der eigenen Identität, in der eremitische Ideale des Ostens mit mendikantischen Vorgaben des Westens in Übereinstimmung gebracht werden mussten.
    In Venedig waren die Karmeliter seit 1285 präsent. Sie verfügten mit S. Maria dei Carmini in Dorsoduro über einen repräsentativen Konvent. Dort blieben sie bis 1810, als im Zuge der napoleonischen Repressionen ihre Existenz zu einem erzwungenen Ende kam.
    Erforscht werden soll zum einen das Schicksal der Klosterbibliothek, deren wertvollste Stücke in ein zentrales Buchdepot nach Padua verbracht und von dort aus weiter verteilt wurden. Identifiziert werden sollen zum anderen aber auch bisher unbekannte Predigthandschriften der venezianischen Karmeliter.
    Predigtforschung dient aber nicht nur allein der Identifizierung bisher unbekannter Texte, deren Edition und somit der Erweiterung der Quellenbasis, sondern strahlt auch auf andere Bereiche aus: Sermones öffnen den Blick auf unterschiedliche, dem jeweiligen (pastoralen) Kontext geschuldete Wissenskulturen. Verarbeitet wird in den Predigten nämlich nicht nur ein orthodoxes Ideal, sondern die heterodoxe Realität in der spätmittelalterlichen Stadt. Insofern sind Sermones stets auch als wichtiger Beitrag zur Sozial-, Wirtschafts- und Institutionengeschichte des Mittelalters zu verstehen.
    Von Mai 2025 bis Juli 2025
  • Venezia oltre Venezia. Das Bild Venedigs an der Adria zwischen Irredentismo und Globaltourismus
    Postdoc

    Kunstgeschichte
    In einem emotionalen Brief an Malerfreund Giambattisa Bassi assoziiert Francesco Dall’Ongaro die Lagunenstadt Venedig 1875 bedeutungsschwanger mit dem mythologischen Unterweltfluss, dessen Wasser alle Erinnerungen vergessen lassen. Im eklatanten Unterschied hierzu verheißt Triest für den jungen Schriftsteller eine Zukunftsperspektive, ein „avvenire cosí felice“ – was mehr sollte man sich von einer Stadt erhoffen dürfen? Im 19. Jahrhundert, so scheint es, sind la Serenissimas Kanäle zum Lete hinabgesunken, während die kaiserliche „urbs fidelissima“ Triest in entgegengesetzter Richtung zur „città del futuro“ (Vanzan Marchini 2016) emporkletterte.

    Hier setzt das vorliegende Projekt an und fragt dialektisch sowohl nach der Wahrnehmung Venedigs an der Adriaküste als auch danach, wie der wirtschaftliche Siegeszug des habsburgischen Triests in Venedig rezipiert wurde. Beiden Perspektiven geht dabei voraus, dass die Lagunenstadt mit ihrem weltpolitischen Abgesang ihrem Status als künstlerischer Orientierungspunkt an der Adria keineswegs verlustig gegangen ist. Vielmehr scheint sich ihre Außenwahrnehmung von einer Seemacht hin zur touristisch vermarktbaren „Herrin der Vergangenheit“ (Glaesner 1915) verschoben zu haben. Ziel ist es schließlich, zu zeigen, dass den Bildern (etwa Werbeplakaten und Gemälden) und insbesondere der Architektur in diesem Prozess eine entscheidende Rolle zugefallen ist. So lässt sich für Triest argumentieren, dass man sich im späteren 19. Jahrhundert noch immer an Venedig abarbeitete, Bild- und Baukultur dabei aber gleichsam Zeugnis davon ablegen, dass man sich nicht als bloße Iteration, als halbgare Kopie des Originals wissen wollte, sondern als autarke Nachfolgerin der venezianischen Seehegemonie – ganz im Sinne einer translatio imperii an der Adria.
    Von April 2025 bis Juli 2025

Personen/zukünftige Projekte

  • "Zwei Schriften Kardinal Bessarions über den Kreuzzug gegen die Türken: Textgeschichte, Ausgabe und Stellung innerhalb seines Werkes"
    Von Juli 2026 bis September 2026
  • Die Architektur der Cappella Emiliana von San Michele in Isola
    Dissertationsprojekt
    Von August 2025 bis September 2025
  • Giovanni Bellini und die Devotio Moderna: religiöser Austausch und die italienische Kunsttheorie des Quattrocento
    Buchprojekt
    Januar 2026
  • Der Reisekünstler Friedrich Nerly (Erfurt 1807 – 1878 Venedig) und seine venezianische Bildproduktion. Bestandserforschungs- und Ausstellungsprojekt zu Friedrich Nerlys Haupt-Nachlass, Angermuseum Erfurt
    Postdoc
    Von September 2025 bis Oktober 2025
  • Kunststipendium
    Von Oktober 2025 bis Dezember 2025
  • Von Venedig nach Berlin: die von dem venezianischen Kunsthändler Alvise Bernardino Barozzi ans Kaiser-Friedrich-Museum verkauften Kunstwerke aus byzantinischer Zeit, aus Mittelalter und Renaissance
    Postdoc
    Oktober 2025
  • Kunststipendium
    Von Oktober 2025 bis Dezember 2025
  • Patente Leute. Glasindustrie in Murano zwischen Tradition und Innovation, fama und Geheimnis
    Promotionsprojekt
    August 2025
  • Die Andere Biennale: Venedigs ,Biennali d'arte antica' und die Erfindung einer anhaltenden Tradition (1935-1950)
    Postdoc
    September 2025
  • Juden in der faschistischen Partei Italiens
    (Arbeitstitel)
    Dissertationsprojekt
    Von August 2025 bis September 2025
  • Die Aufenthalte von Marquard Gude (1635-1689) in Venetien:
    Bibliotheken, Handschriften und Gelehrten-Netzwerke
    Postdoc
    April 2026
  • Kaiserreisen in Habsburg-Venetien: Oper, Kantate und imperiale Repräsentation (1825-1857)
    Von Februar 2026 bis Juni 2026
  • Von Oktober 2025 bis Februar 2026
  • Szenische Konzepte im Primo Novecento: Gian Francesco Malipieros Musiktheater
    Habilitationsprojekt
    Von Oktober 2025 bis Januar 2026
  • Die sephardische Diaspora in Venedig (1492-1541)
    Dissertationsprojekt
    Von März 2026 bis April 2026
  • Der Kiosk
    Juli 2026

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