Deutsches Studienzentrum in Venedig

Sebastian Genzink

Sebastian Genzink

Zwischen Annotation und Komposition. Die private Musikalienbibliothek Luigi Nonos
Promotionsprojekt
Universität Hamburg

Musikwissenschaft, Musiktheorie

Der venezianische Komponist Luigi Nono (1924–1990) zählt zu den bedeutendsten Protagonisten der Musik der Nachkriegszeit. Er nahm Zeit seines Lebens eine zentrale Brückenfunktion zwischen der deutschen und der italienischen Musikkultur ein, prägte die Musik seiner eigenen Generation und übte zugleich einen nachhaltigen Einfluss auf nachfolgende Komponist:innen aus. Die anhaltende Präsenz seiner Werke im heutigen Konzertleben verdeutlicht die ungebrochene Aktualität und Relevanz Nonos und macht eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Werk und Nachlass umso notwendiger.

Seine nachgelassene Bibliothek, die heute im privat geführten Archivio Luigi Nono auf der Giudecca in Venedig aufbewahrt wird, zeugt von einem beeindruckend breiten musikgeschichtlichen und intellektuellen Horizont, aus dem Nono schöpfte. Nonos Bewegung durch den kulturgeschichtlichen Raum lässt sich in seiner Bibliothek in zwei Medientypen fassen: Bücher und Musikalien. Diese Trennung ist selbstverständlich eine methodische, die Nonos eigener Umgang mit seiner Sammlung vermutlich kaum kannte.

In diesem Projekt wird zum einen die in einer ersten Phase (2021–2022) von Kira Henkel begonnene systematisch-katalogische Erschließung der handschriftlichen Annotationen in den Büchern von Luigi Nonos Bibliothek durch Sebastian Genzink fortgeführt und abgeschlossen. Darüber hinaus wird die Untersuchung um die Erfassung der Annotationen in den Musikalien aus Nonos Privatbibliothek erweitert. Dieses neue Korpus umfasst rund 1000 Partituren, die Nono über den gesamten Verlauf seines Lebens hinweg akribisch studierte, analysierte und annotierte. Über die reine Erfassung hinaus entwickelt das Projekt einen digitalen visuellen Index der annotierten Seiten. Dieses Instrument soll es ermöglichen, die großen Datenmengen systematisch zu visualisieren, ihre Strukturen und Zusammenhänge sichtbar zu machen und sie im Sinne der Digital Humanities für weiterführende Forschungsvorhaben methodisch nutzbar zu machen.

Erst durch diese systematische Erfassung der Annotationen wird eine Forschung möglich, die die zahlreichen interdisziplinären Bezüge und intermedialen Verflechtungen in Nonos Werk nachzeichnen kann. Das Projekt schafft damit eine wesentliche Grundlage für zukünftige Studien, die Nonos Lektüren und deren Einfluss auf sein kompositorisches Schaffen beleuchten. Die Erschließung und Erforschung von Nonos Bibliothek inklusive seiner Musikalienbibliothek ist somit nicht nur für die Musikwissenschaft von großer Bedeutung, sondern eröffnet darüber hinaus Perspektiven für weitreichende kulturhistorische Erkenntnisse.

Februar 2025

Von Oktober 2025 bis Februar 2026