Deutsches Studienzentrum in Venedig

Julia Saegebrecht

Julia Saegebrecht

Von Amalthea bis Zenobia: Die Rezeption antiker Frauenfiguren in der italienischen Querelle des Sexesdes 16. und 17. Jahrhunderts
Promotionsprojekt

Geschichte (Frühe Neuzeit)/Freie Universität Berlin, Prof. Dr. Daniela Hacke

Als Querelle des Sexes (oder auch Querelle des Femmes) wird ein europaweiter Diskurs vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert bezeichnet, in dem Frauen und Männer über die Stellung der Geschlechter in Gesellschaft, Religion und Philosophie debattierten. Frauen konnten dabei sowohl Objekt als auch Subjekt dieses Streits sein. Im Mittelpunkt stand häufig die Frage nach der Über- oder Unterlegenheit der Frau, für deren Beweis antike Frauenfiguren als historische exempla herangezogen wurden.

Im Zentrum meiner Dissertation steht die bislang unbeachtete Frage, ob und wie geschlechterspezifische Unterschiede in der Auswahl und Funktion dieser exempla bestehen. Antike Figuren wie Lucretia, Kleopatra oder Dido werden dabei als flexible Argumentationsinstrumente verstanden, die frühneuzeitlichen Autorinnen und Autoren je nach Kontext strategisch einsetzten – entweder zur Stärkung weiblicher Ansprüche oder zur Stabilisierung traditioneller Geschlechterbilder. Untersucht wird, ob männliche und weibliche Autoren dieselben antiken Figuren unterschiedlich deuten oder ob sich geschlechterspezifische Auswahl- und Interpretationsmuster erkennen lassen.

Obwohl die Rezeption antiker Frauenfiguren ein gesamteuropäisches Phänomen war, konzentriert sich die Arbeit auf Italien. Dort prägten Autorinnen wie Marinella, Fonte, Tabotti, Gambara und Cereta die Querelle wesentlich. Viele Texte verweisen intertextuell aufeinander, wurden breit rezipiert und bilden zentrale Dokumente der Geschlechterdebatte. Ziel ist eine systematische und vergleichende Analyse der Verwendung antiker Frauenbiografien: sowohl ihrer Auswahl als auch ihrer argumentativen Funktion. Dabei wird geprüft, wie sich die Rezeption zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert veränderte und welche Figuren in bestimmten Kontexten bevorzugt wurden.

Im Mittelpunkt steht die Rezeption als aktive Aneignung: Antike Gestalten wurden nicht bloß tradiert, sondern bewusst für frühneuzeitliche Debatten instrumentalisiert – affirmativ übernommen oder gezielt umgedeutet. Analysiert werden zudem die Wechselwirkungen zwischen antiken und frühneuzeitlichen Texten sowie geschlechterspezifische Strategien als Teil eines umfassenderen Diskurses über Rollenbilder und gesellschaftliche Ordnung.

Der Fokus liegt auf venezianischen Autorinnen wie Moderata Fonte und Lucrezia Marinella, die Figuren wie Kleopatra nicht als moralische Warnung, sondern als Sinnbilder politischer Klugheit und intellektueller Stärke neu interpretierten. Dies zeigt die Dynamik und den weiblichen Einfluss auf die Rezeption antiker Frauenfiguren. Ergänzend werden Schriften von Giuseppe Passi, Cristofano Bronzini, Mario Equicola, Ludovico Domenichi, Galeazzo Flavio Capra und Domenico Bruni.

Mein Projekt bewegt sich demnach an der Schnittstelle von Literaturwissenschaft, Rezeptionsgeschichte und Geschlechterforschung. Grundlage bilden gedruckte Traktate, Briefe, biografische Texte und Testamente aus Norditalien, die sich vorwiegend in den Bibliotheken und Archiven Venedigs befinden.

Schlüsselwörter: Antikenrezeption, Geschlechterdiskurse

Oktober 2025

Dezember 2025

März 2026