Deutsches Studienzentrum in Venedig

Jan Kopp

Jan Kopp

Kunststipendium

Musik/Komposition

Die Biografie des venezianischen Komponisten Luigi Nono (1924-1990), einem der prominentesten Vertreter der Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg, ist in bemerkenswerter Weise verbunden mit bildender Kunst. Sein Großvater war Maler, seine Tochter Serena ist Malerin, und eine lebenslange Freundschaft verband Nono mit Emilio Vedova, der nicht weit von Nono am Zattere lebte. Obwohl drei große Werke Nonos unter Mitwirkung von Vedova entstanden (u.a. seine beiden Musiktheater Intolleranza und Prometeo), spielt der Einfluss bildender Kunst in der Nono-Literatur bisher kaum eine Rolle.

Im Zuge meiner Auseinandersetzung mit der Kunst des Informel und Bezügen zwischen ihr und der Neuen Musik der 1950er und -60er Jahre wurde ich auf die Konstellation Nono-Vedova aufmerksam. Der Dialog der beiden Künstler ist nicht nur in seiner Dauer (von den 1940er Jahren bis zu Nonos Tod 1990) ungewöhnlich. Beide waren auch vom gleichen Wahrnehmungsraum Venedig geprägt. Allerdings ist ihr jahrzehntelanges Gespräch kaum dokumentiert, weil es größtenteils mündlich stattfand.

Die Entdeckung dieser Seite von Nonos Biografie und Schaffen hat mein eigenes Nono-Bild, das seit den späten 1980ern nicht zuletzt durch meine Lehrer Wolfgang Rihm und Helmut Lachenmann geformt wurde, maßgeblich verändert und erweitert. Doch rückblickend hatte bereits meine einzige Begegnung mit Nono 1989 am Rande einer Aufführung von A Carlo Scarpa im Kurhaus Baden-Baden bildende Kunst zum Gegenstand: Nono riet mir, Bilder von Caspar David Friedrich zu betrachten. (Danach hing lange der Wanderer über dem Nebelmeer über meinem Klavier.)

Die langjährige Auseinandersetzung mit bildender Kunst, die für mein eigenes Komponieren wesentlich wurde und seit 2020 durch meine Arbeit im Bereich der Zeichnung und Radierung ergänzt wird, bekommt damit in der Gestalt Luigi Nonos eine wichtige historische Referenz. Mein Aufenthalt im Studienzentrum Venedig verbindet daher ein wissenschaftliches mit einem künstlerischen Vorhaben: Zum einen möchte ich dem Wechselspiel der Künste im Zeichen des Informel am Beispiel von Luigi Nono und Emilio Vedova nachspüren und dabei den Wahrnehmungsraum, in dem sich beide bewegt haben, besser kennen lernen. Zum anderen will ich die Auseinandersetzung mit den Prämissen meines eigenen Schaffens vertiefen und das Spannungsfeld zwischen Klang, Bild und dem ästhetischen Raum als einem spazio di azione (Vedova) besser verstehen.

Von Oktober 2025 bis Dezember 2025