Deutsches Studienzentrum in Venedig

Claudia di Luzio

Claudia di Luzio

Transitionen Alter Vokalmusik durch italienische Komponist*innen ab 1950
Postdoc

Musikwissenschaft

Ein bedeutender Teil italienischer Avantgarde-Komponist*innen seit 1950 hat Alte Vokalmusik, in eigene Kompositionen übertragend, auf raffinierte und vielfältige Weise musikalisch rezipiert, analysiert und interpretiert. Im Projekt wird das transformative Potenzial des musikalischen Erbes als rezipierte kompositorische Inspirationen, Techniken, Modelle im Hinblick auf ihre spezifische Ausdeutung und Rekontextualisierung in Neuer Musik beleuchtet, die sich auf Grundlage Alter Musik dialogisch erneuert. Zeitgenössische ‚Transitionen’ in Kompositionen, Transkriptionen, Bearbeitungen, Adaptionen und Aufführungen ermöglichen einen fruchtbaren Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart: Sie können neue interpretative, kompositorische und performative Verfahrensweisen hervorbringen und kreative Impulse setzen, die zwischen bewusster Annäherung, Zitat und Paraphrase einerseits und Distanzierung, Parodie und Verfremdung andererseits changieren und so an die künstlerische Reflexion in der Musikgeschichte appellieren.

Durch die Berücksichtigung transdisziplinärer Aspekte erforsche ich im Projekt auch Phänomene intertextueller, intermedialer und transkultureller Verflechtungen sowie Prozesse interepochaler epistemischer Übergänge, einschließlich des Experimentalismus. Dialogische Beziehungen zwischen historisch weit voneinander entfernten Kompositions- und Interpretationsweisen können zum Vorschein kommen, wenn Musik im Spiel zwischen Präsenz und Absenz, Expansion und Reduktion, intermedialer Erweiterung und Verschiebung des Ausdrucks oder Nähe und reflektierter Distanz zum Anderen, Alten, dramaturgische Relevanz gewinnt. Die Bezugnahme auf, die Intervention in und die Interaktion mit Alter Musik können durch die Rekontextualisierung in Neuer Musik und Inszenierung interpretatorische Kohärenz bieten, indem sie den interpretatorischen Zugang vervielfachen und ihn näher an den Puls der Zeit bringen.

Der Schwerpunkt liegt in der Interpretation vonseiten zeitgenössischer italienischer Komponist*innen und musikalischer und künstlerischer Kollektive ab ca. 1950 und in den durchlässigen Übergängen von Vokalmusik oder Musiktheater aus dem 14.-17. Jahrhundert sowie auf der Frage, wie diese sich sowohl im 14.-17. Jahrhundert als auch 20.-21. Jahrhundert als dramaturgische Stärken erweisen können. Ich rücke nicht nur die Kompositionen selbst ins Licht, sondern untersuche diese zugleich in ihrer jeweiligen Wechselwirkung und Spannung zwischen Referenzwerken und neuen Werken unter den Gesichtspunkten der Interpretationsforschung und der Aufführungs- und Inszenierungspraxis.

Für meine Forschung am DSZV sind Komponist*innen relevant, deren Quellen in Venedig aufbewahrt werden, die dort ausgebildet wurden, dort gewirkt haben oder deren Werke dort aufgeführt wurden.

Von Oktober 2023 bis März 2024